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Dat Rhabarberbeet ****** Das Rhabarberbeet
Dor seet ik nu, harr mi lütt un rund måkt un schuul nå den Heven båven.
Wat blau de weer, un wat för witte Wulken he harr!
De Sünn schien; dat weer so warm! Ik wüss, hier kunn
keeneen mi nich finnen. Hier weer ik seker. Hier wull ik für alle Tieden blieven un nie, nie, nie nich wedder rutkrupen. Up jeden Fall nich wedder nå School.
****** Da saß ich nun, hatte mich klein und rund gemacht und schielte nach oben zum Himmel.
Wie blau er war und was für weiße Wol­­­ken er hatte!
Die Sonne schien, es war so warm! Ich wusste, hier
würde mich niemand finden. Hier war ich sicher. Hier wollte ich für alle Zeiten bleiben und nie, nie, nie wieder herauskriechen. Auf alle Fälle nicht wieder in die Schule.
De Rhabarberblåder un de Stengels weren verscheden breet un hooch.
Ik harr mi en Steed söcht, wo mi de Planten bit nå den
Hals güngen, as ik herkeem. Dorbi weer ik doch teemlich groot un al söven Jahr olt.
Nu seet ik up de Eer un weer ganz wiss nich to sehn.
****** Die Blätter und Stängel des Rhabarbers waren verschieden breit und hoch.
Ich hatte mir eine Stelle gesucht, wo mir die Pflanzen bis zum Hals reichten, als ich herkam. Dabei war ich doch ziemlich groß und schon sieben Jahre alt.
Jetzt saß ich auf dem Erdboden und war ganz gewiss nicht zu sehen.
Platz weer ok noog hier. Ik kunn mi richtig åålen. Un allens ankieken.
Ik seeg en blitzblanken Rosenkåver; de harr sük vörhen
woll rünnerfallen låten, as ik keem. Nu klatter he ielig en roden Rhabarber-Stamm rup.
Ik wull em ankieken un hööl en Finger vör sien Nees, gegen den kantigen Stengel. „Kruup rupl“ så ik.
He wull åver nich. He trock siene lütten Been in un leet sük wedder rünner kullern. Weg weer he. Schåd!
****** Platz war auch genug da; man konnte sich gut räkeln Und alles ankucken.
Ich sah einen blitzeblanken Rosenkäfer, der sich wohl vorhin hatte fallen lassen, als ich kam. Jetzt kletterte er hurtig einen roten Rhabarber-Stamm nach oben.
Ich wollte ihn betrachten und hielt ihm einen Finger vor die Nase, gegen den kantigen Stängel. „Kriech rauf!“ sagte ich.
Er wollte aber nicht. Er zog die Beinchen ein und ließ sich wieder herunter purzeln. Weg war er. Schade!
Lustig weer dat un intressant in mien Versteek.
Flegen geev dat dor un över mi witte Böttervågels vun‘t Nåverbeet.
Hen un wenn suus en gewaltige Hummel dicht an mi vörbi.
Dat düch mi gefährlich! Ik besünn mi up dat Leed vun vörhen un süng
Summ, summ, summ
un klopp den Takt up den Bodden, jümmers luder. Do verjåg ik mi, ik wull mi je nich verråden. Man dor keem nüms.
Bloots twee Wörm, feine dicke Metten, kröpen dörch dat Kloppen ut de köhlige, düstere Eer. Ik nöhm jem in de Hand un sett jem wieder weg rünner.
Of dor noch mehr kemen? Schullen mi åver nich in’t Tüüg krupen. Ik kreeg lever mien Tornüster her und schoov mi den ünner mien Büx.
****** Es war unterhaltsam in meinem Versteck!
Fliegen gab es da und über mir weiße Schmetterlinge vom Nachbarbeet.
Ab und zu sauste eine gewaltige Hummel dicht an mir vorbei.
Das kam mir doch gefährlich vor! Mir fiel das Lied von vorhin ein und ich sang:
Summ, summ, summ
und klopfte den Takt auf den Boden, immer lauter. Ich bekam einen Schreck, ich wollte mich doch nicht verraten. Aber niemand kam.
Nur zwei Würmer, feine dicke Regenwürmer, krochen durch das Klopfen aus der kühlen, dunklen Erde. Ich nahm sie in die Hand und setzte sie weiter weg auf den Boden.
Ob da noch mehr kommen würden? Sollten mir aber nicht ins Zeug kriechen. Ich nahm lieber meinen Ranzen her und schob ihn mir unter den Hosenboden.
Vör twee Weken weer ik nå School kåmen un mit mi tosåmen veer annere Kinner.
Een vun de Groten, en veerteinjohrige Deern, möök grote Ogen un reep: „Hoou, wat‘n Bült! So veell“
Egenlich funn ik dat dor gor nich so slecht. Wi seten all in en grooten Klassenruum.
De Schoolmester, Unkel Osse, güng hierhen un dorhen un arbeid mit de verscheden ollen Schölers.
För uns mål he mit Kried en i an de Wandtåfel, ganz groot. Wi schullen denn een nå den anner hengåhn un dat i mit Kried nåtrecken.
Nå en Tiet keem he wedder nå vörn torüch, to uns,
un reep: „Nu is dat Swien fett. Nu ward dat slacht!“
He wisch den dick övermålten Bookståv weg un schreev em nee hen. Dor harrn wi uns Vergnögen an!
****** Vor zwei Wochen war ich zur Schule gekommen. Mıt mir kamen noch vier Kinder.
Eine der Großen, ein vierzehnjähriges Mädchen, rief erstaunt: „Doll, was für eine Menge! So viele!“
Eigentlich fand ich es da gar nicht so schlecht. Wir saßen alle in einem großen Klassenraum.
Der Lehrer, Onkel Osse, ging hierhin und dahin und arbeitete mit den verschieden alten Schülern.
Für uns malte er ein i mit Kreide an die Wandtafel, ganz groß. Wir sollten dann nacheinander hingehen und mit Kreide das i nachziehen.
Nach einiger Zeit kam der Lehrer wieder nach vorn, zurück zu uns und rief: „Nun ist das Schwein fett! Nun wird es geschlachtet!“, wischte den dick übermalten Buchstaben ab und schrieb ihn neu hin. Daran hatten wir großes Vergnügen.
Bloots, ik harr dat Malöör, dat ik bi Wobbe seet.
Wobbe weer woll noch to lütt orrer krank; he kunn op jeden Fall dat Wåter nich hollen.
Ik much mi nich hensetten, bün an‘t Enn vun de
Vererbank rutscht un stünn oftins half in den Gang.
****** Ich hatte nur das Pech, neben Wobbe zu sitzen.
Wobbe war wohl noch zu klein oder vielleicht krank, jedenfalls konnte er das Wasser nicht halten.
Ich mochte mich nicht hinsetzen, rutschte an das Ende der Viererbank und stand oft halb im Gang.
Wenn de Stünn vörbi weer, reep de Scheelmester: „Pausl“ unwi sünd rutbösselt.
Dat Schoolhuus harr vörn en lütt Portål. Dor stünn en överbåsig groten Zinkemmer vull Wåter, un an sien
Rand hüng en Pütz, en Beker, ok ut Metall. All de Döst harren, kunnen dorut drinken.
Nå de Paus keem Unkel Osse nå buten un klatsch in de Hannen. Denn lepen all wedder rin.
Åver nå twee Weken weer mien Vergnögen up. Ik funn, dor keem nich noog Nejes. Wi kregen twoors en poor dulle Geschichten te höörn, un dat Singen weer ok so schöön. Dorbi süngen se all tosåmen, schieteengål wo ollt se weren. Wat much ik dat geern! Richtig schöne Leder, nix etrå. für uns Lütte.
Up den Schoolhoff süngen wi åver ok wat anners, kloor, so as
Eia, popeia, wat russelt in’t Stroh, un
Mit de Fööt, dor geibt dat trapptrapptrapp
****** War die Stunde vorbei, rief der Lehrer: „Pausel“ und wir rannten hinaus.
Vor dem Schulhaus gab es ein kleines Portal, dort stand ein riesiggroßer Zinkeimer mit Wasser, und an seinem Rand hing ein Schöpfbecher, auch aus Metall.
Alle, die Durst hatten, konnten daraus trinken.
Nach der Pause trat Onkel Osse vor die Schule und klatschte in die Hände. Darauf rannten alle wieder hinein.
Nach zwei Wochen aber hatte ich kein Vergnügen mehr; ich fand, es kam nicht genügend Neues. Wir kriegten zwar ein paar tolle Geschichten zu hören, und das Singen war auch so schön. Da sangen alle zusammen, einerlei, wie alt sie waren. Wie mochte ich das gern! Richtig schöne Lieder, nicht extra nur für uns Kleine.
Auf dem Schulhof sangen wir aber auch anderes, wie
Eia, popeia, was raschelt im Stroh, oder
Mit den Füßen geht es trapptrapptrapp
Ik harr dat bold so langwielig, dat ik anfüng, up mien lütte Schooltåfel rümtoschrammen.
Ik weer ok vergretzt vunwegen Wobbe. He weer middewiel en beten updaut un bedel uns iümmers glieks üm uns Botterbroot an, wenn he uns bi‘t Kauen seeg.
He wull opleevst eten, sünst nix.
Ik besloot, ik wull nu weggåhn, för ewig un alle Tieden. In en Paus güng ik also los, dwars över de Dürpsstråt, un verkrööp mi in uns Goorn, in dat Rhabarberbeet.
****** Ich langweilte mich bald so sehr, dass ich anfing, auf meiner kleinen Schiefertafel herumzuschrammen. Verärgert war ich auch wegen Wobbe. Er war inzwischen etwas aufgetaut und bettelte uns immer gleich um unser Butterbrot an, wenn er uns kauen sah.
Er wollte am liebsten essen, sonst nichts.
Ich beschloss, ich wollte nun weggehen, für immer und alle Zeiten. In einer Pause ging ich also los, überquerte die Dorfstraße und verkroch mich in unserem Garten, im Rhabarberbeet.
Dor seet ik nu, ganz un gor nich to sehn, fein verståken. Warm weer dat un liekers schulig in‘n Schadden. Weer ok teemlich dröög vun ünnen un seker vör de Miegeemken un Metten vunwegen den Tornüster ünner mi.
Mien Broot harr ik gottloff reddt.
****** Da saß ich nun, ganz und gar nicht zu sehen, schön versteckt.
Warm war es und doch geschützt im Schatten, auch ziemlich trocken von unten und sicher vor Ameisen und Regenwürmern wegen des Ranzens unter mir.
Mein Brot hatte ich Gott sei Dank gerettet!
Jå Mann! Ik harr bi Mudder dorup beståhn, dat ik Schoolbroot mitkreeg. Dat harr nich unbedingt nödig dån. Wenn ik nämlich ut uns Stalldöör keem, stünn ik al half up den Schoolhoff. Åver dat Broot uttopacken, as de Kamråden deen, dat weer al wat, dat weer wat anners, as to Huus to eten.
Vundåg harr ik en Dubbelschiev Swartbroot mit Leverwuss un een mit Kees un Semp dorup. Wat nu eten? Eerst de Leverwuss? Eerst den Kees? Afwesselnd heff ik an de twee snüffelt. Swoor, dat fasttoleggen.
Mit‘n Finger nöhm ik en Klacks Leverwuss un smeer den up twee Plantenstengels, midden in de Miegeemken ehr Stråten. Of se dat woll eten deen? Ik kau langsåm un kommodig un keek de Lütten bi ehr Rümflitzen to.
De bi‘t Wedderkåmen vun båben
un de Upstiegers lepen hen un her. Upletzt funnen se en Weg üm de Leverwuss ümto un lepen de nee Stråtenkurv wedder up un dål.
Is man jammerschåd, dach ik, dat harrn se geern eten
kunnt. So schråp ik de Leverwuss wedder rünner un lutsch den Finger af.
Bi de tweete Brootschiev wurr ik släperig. Och, un dor
weer so veel to hören in den Goorn, de Insekten bi‘t Summen, Vågels bi‘t Singen.
****** Ja, Mann! Ich hatte bei Mutter darauf bestanden, Schulbrot mitzubekommen. Das wäre nicht unbedingt nötig gewesen; wenn ich nämlich aus unserer Stalltür kam, stand ich schon fast auf dem Schulhof. Aber das Brot auszupacken, wie es die Kameraden taten, das war schon was, das war etwas anderes, als zu Hause zu essen.
Heute hatte ich eine Doppelscheibe Schwarzbrot mit Leberwurst und eine mit Käse und Senf darauf. Erst die Leberwurst? Erst den Käse? Abwechselnd roch ich an beidem. Schwer, das festzulegen!
Mit einem Finger nahm ich einen Klacks Leberwurst und schmierte ihn auf zwei Pflanzenstängel, mitten in die Ameisenstraßen. Ob sie das essen würden? Ich kaute langsam und behaglich und betrachtete die herumflitzenden kleinen Tiere.
Die Rückkehrer von oben und die Aufsteiger von unten liefen hin und her. Schließlich fanden sie einen Weg um die Leberwurst herum und liefen um die neue Straßenbiegung herum wieder auf und ab.
Wie schade, dachte ich, das hatten sie gern essen können. Also kratzte ich die Leberwurst wieder herunter und lutschte den Finger ab.
Bei der zweiten Brotscheibe wurde ich schläfrig. Ach, und es gab im Garten so viel zu hören: die Insekten summten, Vögel sangen.
Upwåkt bün ik, as ik so‘n licht Bevern in den Kleibodden föhl.
Vun båven keken mi de fründlichen Gesichter vun mien Mudder un mien Schoolmester an.
„Wi hefft di söcht“, sä he. „Wi bruukt di je nu för uns Speel. Kümmst du mit?”
Do stünn ik up un güng mit jem torüch.
****** Ich wachte auf, als ich ein leichtes Vibrieren des festen Kleibodens spürte.
Von oben blickten mich die freundlichen Gesichter
meiner Mutter und meines Lehrers an.
„Wir haben dich gesucht“,sagte er. „Wir brauchen dich ja gleich für unser Spiel. Kommst du mit?“
Da stand ich auf und ging mit ihnen zurück.

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